Die Verleihung des Gertrud-Eysoldt-Ringes

Seit 1986 vergibt die Stadt Bensheim zusammen mit der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste den Gertrud-Eysoldt-Ring, ein Vermächtnis des 1981 in Bensheim verstorbenen Theaterkritikers Wilhelm Ringelband, der den Namen der von ihm verehrten Max-Reinhardt-Schauspielerin (1870-1955) mit einer Auszeichnung verbunden sehen wollte. Der Preis, der mit 10.000 EUR dotiert ist, wird von einer jährlich wechselnden Jury für eine herausragende schauspielerische Leistung im Theater vergeben.

Der Gertrud-Eysoldt-Ring wird alljährlich bei einem Festakt verliehen an den sich eine glamouröse Gala anschließt.

Gleichzeitig mit dem Gertrud-Eysoldt-Ring wird der Kurt Hübner Regiepreis verliehen.
Der Förderpreis für junge Regisseure wird seit 1991 von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste vergeben und ist mit 5.000 Euro dotiert.

Das Datum der Preisverleihung im Jahr 2025 wird zeitnah bekannt gegeben.

Aktuelle Preisträger

Gertrud-Eysoldt-Ring geht an Birgit Minichmayr

Fotonachweis: Matthias Horn/BURG

 

Am Wiener Burgtheater ist sie ein Star. Und in der Filmbranche eine gefragte und erfolgreiche Charakterdarstellerin: Birgit Minichmayr verkörpert stets besondere Rollen – so wie in „Heldenplatz“ von Thomas Bernhard. Für ihr großartiges Spiel in der Inszenierung von Frank Castorf am Burgtheater in Wien wird die Österreicherin mit dem Gertrud-Eysoldt-Ring ausgezeichnet. Den renommierten Theaterpreis erhält sie im März 2025 im Bensheimer Parktheater. Die Stadt Bensheim und die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste gaben die Preisträgerin nach einer Sitzung des Kuratoriums der Ringelband-Stiftung bekannt.

Die Jury, bestehend aus Karin Henkel, André Jung und Jossi Wieler (Vorsitz), würdigt mit dem diesjährigen Gertrud-Eysoldt-Ring eine Schauspielerin, aus deren „Mund (…) die Suaden des österreichischen Dichters, die hinlänglich bekannt schienen, erschreckend neu sind: noch bissiger, derber, noch lauter, greller, provokanter und unverschämter, viel musikalischer und irgendwie auch klüger, trotz, oder eben wegen der so lustvollen spielerischen Übertreibung, die Birgit Minichmayr schamlos auf die Bretter schmettert“.

In einem „sich verausgabendem Ensemble von sechs Schauspielerinnen und Schauspielern, die die Rollen permanent tauschen oder Rollenzuweisungen einfach kraftvoll überschreiten, ragt Birgit Minichmayr besonders hervor“, begründet die Jury die Entscheidung und fährt fort: „Grotesk und hochkomisch spielt Birgit Minichmayr, herzzerreißend singt sie - und dann spricht sie wieder mit einer Dringlichkeit, als sei die Wunde Wien(s), um die es geht in diesem Stück über Antisemitismus, Vertreibung und Exil, noch frisch oder soeben wiederaufgebrochen. In der Rolle des Robert Schuster monologisiert sie einbalsamiert wie eine Mumie – zwischen Totenkult und dem, was nicht totzukriegen ist.“

Bewegungseingeschränkt durch die Bandagen, stellt sie ihre extreme schauspielerische Beweglichkeit unter Beweis: wie sie im Lauf der fünfstündigen Vorstellung zwischen elegischem Pathos und Ironie changiere und mit derselben Glaubwürdigkeit als Mann wie als Frau auftritt, sei zutiefst beeindruckend und maßgeblich für eine Aufsprengung des Stücktexts. „Der Gertrud-Eysoldt-Ring soll die einzigartige Kunst von Birgit Minichmayr würdigen, die sich schon lange und vielfach als Ausnahmeschauspielerin in die Geschichte des Burgtheaters und in die Theatergeschichte schlechthin eingeschrieben hat“, heißt es abschließend in der Begründung der Jury, die in diesem Jahr das letzte Mal ihr Votum für den Eysoldt-Preis abgab. Professor Hans-Jürgen Drescher, Präsident der Akademie der Darstellenden Künste, und Bürgermeisterin Christine Klein bedankten sich herzlich für das Engagement der Juroren.

Birgit Minichmayr, in Pasching in der Nähe von Linz geboren, erhielt ihre Schauspielausbildung am Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Schon während ihrer Studienzeit wurde sie ans Burgtheater in Wien engagiert. Nach einer Castorf-Produktion bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen wechselte sie 2004 zu Castorf an die Volksbühne in Berlin. 2007 kehrte sie nach Wien zurück, bevor sie 2011 ans Münchner Residenztheater ging, dann arbeitete sie frei. Birgit Minichmayr ist seit der Spielzeit 2019/20 wieder festes Ensemblemitglied an der Burg.

Die vielfach ausgezeichnete Schauspielerin, unter anderem mit dem Ulrich-Wildgruber-Preis und dem Nestroy-Theaterpreis, ist auch in zahlreichen Filmen zu sehen. Ihren Durchbruch als Filmschauspielerin hatte sie 2009 neben Lars Eidinger im Beziehungsdrama „Alle anderen“. Birgit Minichmayr spielte außerdem in „Der Untergang“ sowie in Tom Tykwers Thriller „Das Parfüm“ nach dem Roman von Patrick Süskind mit. Zuletzt war sie in der österreichischen Tragikomödie „Andrea lässt sich scheiden“ in der titelgebenden Hauptrolle zu sehen.

Ihr Talent beweist sie aber nicht nur vor der Kamera oder auf der Theaterbühne: Mit Campino nahm sie ein Duett („Ertrinken“) für ein Album seiner Band „Die Toten Hosen“ auf. Mit dem Sänger schrieb sie zudem den Text zum Hit „Tage wie diese“. 2021 legte sie mit As an Unperfect Actor ein Album mit Vertonungen von Shakespeare-Sonetten vor.

 

Kurt-Hübner-Regiepreis geht an Ran Chai Bar-zvi

Bildquelle: Sandra Then

Er ist Würdigung, Förderung und Ansporn zugleich: Der Kurt-Hübner-Regiepreis wird von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste seit 1991 im Zuge der Eysoldtpreis-Verleihung in Bensheim an junge Regisseurinnen und Regisseure vergeben. In diesem Jahr erhält die Auszeichnung Ran Chai Bar-zvi für die Inszenierung von „Blutbuch“ nach dem Roman von Kim de l’Horizon am Staatstheater Hannover. Dotiert ist der Preis mit 5000 Euro.

Almut Wagner wählte als Alleinjurorin für den Kurt-Hübner-Regiepreis den Preisträger aus „Ran Chai Bar-zvi wählt seine Regiehandschrift und die damit verbundene Ästhetik immer individuell abhängig vom Stoff.“ In „Das große Heft“ am Münchner Volkstheater arbeitete er sehr fokussiert „ohne Zubehör“, wie die Süddeutsche Zeitung schreibt, in erster Linie mit den technischen Möglichkeiten der Bühne. In „Liebes Arschloch“ nach Virginie Despentes in Münster inszenierte er ein detailgenaues, realistisches Kammerspiel.

„Ran Chai Bar-zvi begegnet selbst großen, existentiellen Stoffen immer mit Leichtigkeit und einem unglaublichen Instinkt für Unterhaltung, er öffnet die Vorgänge auf der Bühne hin zum Publikum. Dabei läuft er niemals Gefahr, den ernsten Kern der Stücke zu verharmlosen“, betont Almut Wagner – so auch in „Blutbuch“, der Arbeit, für die ihn Almut Wagner auszeichnen möchte.

Kim l’Horizon lässt darin eine Erzählfigur, die sich weder als Mann noch als Frau definiert, von der Herkunft in einer sehr klassischen Familienkonstellation sprechen und von den schmerzhaften Auseinandersetzungen mit den tradierten Rollenaufteilungen zwischen den Geschlechtern über Generationen hinweg.

„Die Inszenierung beginnt mit einer Dragshow im Theatercafé, wo das Publikum mit Witz und Charme auf die Themen des Abends hingeführt wird. Später wird im Theater mit einfachen und zugleich fantasievollen Mitteln – auch die Mittel der Show werden weiterhin eingesetzt – und einem hochengagierten dreiköpfigen Ensemble das von Widerständen, Ängsten, Kämpfen, aber auch von Experimentierfreude geprägte Leben der Erzählfigur auf die Bühne gebracht“, schreibt die Jurorin in ihrer Begründung. Dies geschieht vor einem vornehmlich jungen, begeisterten Publikum, „das seit einem Jahr für diese Aufführung ins Staatstheater Hannover pilgert und sich von der Sinnlichkeit des Abends begeistert zeigt“.

Der Regisseur und Bühnenbildner ist 1989 in Jerusalem geboren und Absolvent der Jerusalem High School of Arts. Im Jahr 2012 zog er nach Berlin und begann sein Studium für Kostüm- und Bühnenbild an der Kunsthochschule Berlin Weißensee, das er 2019 mit Diplom abschloss.

Seine Videoarbeiten mit den Künstlern Doireann O'Malley und Michael Portnoy wurden in der Hugh Lane Gallery in Dublin und beim Steirischen Herbst gezeigt. 2019 hatte er sein Regiedebüt mit „Dark Room“ am Schauspiel Hannover. Darauf folgte ebenfalls am Schauspiel Hannover die Inszenierung des Romans „Das wirkliche Leben".  In der Spielzeit 2023/24 inszeniert er die deutsche Erstaufführung „Blutbuch“, für die er nun mit dem Kurt-Hübner-Regiepreis geehrt wird.

Für Almut Wagner war die Bekanntgabe des Preisträgers eine Premiere. Sie folgte in diesem Jahr als Jurorin auf Rita Thiele, für deren Engagement sich Professor Hans-Jürgen Drescher, Präsident der Akademie der Darstellenden Künste, und Bürgermeisterin Christine Klein herzlich bedankten.

Almut Wagner ist stellvertretende Intendantin und Chefdramaturgin am Residenztheater in München und Mitglied im Vorstand des Internationalen Theaterinstituts. Sie studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaft, Romanistik und Soziologie an der Universität Köln. Von 1991 bis 2001 arbeitete sie am Schauspiel Bonn, zuletzt als Dramaturgin und Direktorin des Festivals Bonner Biennale. 2001 bis 2005 war sie Schauspieldramaturgin bei den Wiener Festwochen Von 2005 bis 2008 war sie Geschäftsführende Dramaturgin am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. 2008 bis 2010 war sie Leitende Dramaturgin bei den Wiener Festwochen

Nach weiteren Stationen und Lehraufträgen kam sie ans Theater Basel. In den Spielzeiten 2015/2016 und 2016/2017 war Almut Wagner Geschäftsführende Dramaturgin der Sparte Schauspiel. Von 2017/2018 bis 2019/2020 war sie Schauspieldirektorin am selben Haus. Seit Beginn der Spielzeit 2020 ist sie Chefdramaturgin am Residenztheater. Zur Stadt des Eysoldt-Rings hat sie einen besonderen Bezug. Hier wuchs Almut Wagner auf, bevor es sie in die große, weite (Theater)-Welt zog.

Preisverleihung des Gertrud-Eysoldt-Ring und des Kurt-Hübner-Regiepreises 2023

Jörg Pohl in Bensheim mit dem Gertrud-Eysoldt-Ring ausgezeichnet

Bensheim. Eine besondere Würdigung für eine preiswürdige Doppelrolle: Jörg Pohl hat am heutigen Samstagabend im Bensheimer Parktheater den Gertrud-Eysoldt-Ring verliehen bekommen. Die mit 10.000 Euro dotierte Auszeichnung gilt als einer der bedeutendsten Theaterpreise im deutschsprachigen Raum und wird seit 1986 von der Stadt Bensheim und der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste vergeben.
Jörg Pohl überzeugte die Jury mit seinem Auftritt am Theater Basel in „Molière – der eingebildete Tote“ von Nona Fernández, ein Werk nach Molière in der Inszenierung von Antú Romero Nunes. Der Schauspieler verkörpert darin die Rolle von Molière, der wiederum die Figur Argan in dessen eigenem Stück „Der eingebildete Kranke“ spielt. In seinen Dankesworten befasste sich Pohl unter anderem mit dem Stellenwert und der Autonomie von Kunst in „finsteren Zeiten“: „Die Kunst, die ich meine und die ich betrieben sehen will, ist eine der letzten Bastionen der Freiheit, und zwar keine gut befestigte, sondern eine äußerst fragile.“ Die Laudatio auf den Preisträger hielten zuvor die Mitglieder der Basler Compagnie, Gala Othero Winter und Sven Schelker.

Der mit 5.000 Euro dotierte Kurt-Hübner-Regiepreis, der seit 1991 ebenfalls von der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste verliehen wird, ging am Samstag an den jungen Regisseur und Autor Wilke Weermann. Ausgezeichnet wurde er für die Inszenierung seines Stücks „Unheim“, das er als Auftragswerk für das Schauspiel Frankfurt geschrieben hat. Jurorin Rita Thiele, ehemals Chefdramaturgin und stellvertretende Intendantin am Deutschen Schauspielhaus Hamburg, hatte den Preisträger ausgewählt und hielt im vollbesetzten Parktheater die Laudatio auf Weermann.
Die Bensheimer Bürgermeisterin Christine Klein ging an diesem besonderen Abend in ihrer Rede unter anderem der Frage nach, welchen Wert Kunst und Kultur für die Gesellschaft und das demokratische Staatswesen haben: „Gerade in schwierigen und wechselvollen Zeiten sind Kunst und Kultur für unsere Gesellschaft von unschätzbarem Wert: Kunst und Kultur bauen Brücken, überwinden Grenzen, liefern Inspiration und Toleranz.“ Ein lebendiges Kulturleben sei eine „wirksame Arznei gegen Engstirnigkeit und Intoleranz sowie Rechtsextremismus und Antisemitismus“.

Für die Akademie sprach Präsident Professor Hans-Jürgen Drescher einleitende Worte. „Die Verleihung des Rings, der Gertrud Eysoldts Namen trägt, würdigt Schauspielerinnen und Schauspieler, steht aber auch symbolisch für den Geist eines freien Gemeinwesens, für die Freiheit von Kunst und Kultur.“
Moderiert wurde die diesjährige Verleihung von Schauspielerin und Sängerin Genija Rykova, die mit ihrer Band den Abend „zum Klingen und Leuchten brachte“, so Akademie-Präsident Drescher.

Mit der Vergabe des Getrud-Eysoldt-Rings würdigen die Stadt Bensheim und die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste eine schauspielerische Leistung an einer deutschsprachigen Bühne. Erste Preisträgerin war Doris Schade, ihr folgten große Schauspielerinnen und Schauspieler wie Klaus Maria Brandauer, Cornelia Froboess, Corinna Harfouch, Nina Hoss, Ulrich Mühe, Ulrich Matthes, Tobias Moretti, Charly Hübner, Lina Beckmann und Sandra Hüller.
Der Gertrud-Eysoldt-Ring geht auf ein Vermächtnis des Journalisten und Theaterkritikers Wilhelm Ringelband zurück, der bis zu seinem Tod in Bensheim lebte und in seinem Testament einen Schauspielerpreis mit dem Namen von Gertrud Eysoldt verfügte.

Fotos: Gregor Ott/GVO Media

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