Vorwort

30. Woche junger Schauspielerinnen und Schauspieler vom 05.- 27. März 2025

Verehrtes Publikum,

die Woche junger Schauspielerinnen und Schauspieler wird 30 Jahre alt. Wir gratulieren! Dass sie jung geblieben ist, gilt es zu feiern. Jung sein heißt fürs Theater: neue Perspektiven und Zugänge zu unserer Lebenswirklichkeit eröffnen, sich mit virulenten Themen auseinandersetzen, innovative Spielweisen und Ästhetiken ausprobieren und Vielfalt ermöglichen. Und generell: offen sein, gestalten wollen und den Blick in die Zukunft richten.
Mehr denn je sind in diesen Zeiten junge Theaterschaffende gefragt, wenn es um die Gestaltung des Theaters von morgen geht, um ein Theater, das zur Sicherung und Weiterentwicklung eines freien, offenen, vielgestaltigen und demokratischen Gemeinwesens beiträgt.
Der neuen Fachjury, bestehend aus der Regisseurin Johanna Wehner, der Schauspielerin und Autorin Amina Eisner, der Dramaturgin Katrin Spira und dem Dramaturgen Bernd Isele, war es für ihre Auswahl wichtig, einen schlaglichtartigen Überblick über das Schaffen junger Schauspieler*innen im Stadttheater, in der freien Szene und in den Hochschulen im deutschsprachigen Bereich zu geben. Dabei wurden Solo- und Ensemblearbeiten, unterschiedlichste Setzungen auf der Bühne, Spielende mit verschiedenen Hintergründen, Identitätsbildern und diverser Herkunft berücksichtigt.
Den Auftakt bildet eine Solo-Performance des Theaters Regensburg: „Iphigenies Rache“. Schauspielerin und Autorin Lily-Marie Vogler fragt nach der Frau hinter dem Mythos und eröffnet ein neues Kapitel in der 2400-jährigen Rezeptionsgeschichte. Das Theater Bern gastiert mit der Produktion „Blutbuch“ nach dem mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichneten Roman von Kim de l‘Horizon. Es geht um Selbstermächtigung, um weibliche Genealogie und um den Versuch einer genderfluiden Person, eine Form des Erzählens für die eigene Geschichte zu finden. Vom Thomas Bernhard Institut der Universität Mozarteum Salzburg kommt die Inszenierung „Das schweigende Mädchen“ von Elfriede Jelinek. Im Zentrum des NSU-Prozesses, einem der größten Strafverfahren gegen rechtsextreme Gewalt in der Bundesrepublik, steht die Hauptangeklagte Beate Zschäpe, die beharrlich schweigt. Jelinek schreibt gegen dieses Schweigen an und entfaltet ein Tribunal biblischen Ausmaßes. Das internationale Performancekollektiv BOYS* IN SYNC stellt in „Zapfenstreich – Mother Europe“ eine alte deutsche Militärtradition auf der Bühne nach: Eine Choreografie militärischer Bewegungen, die irritiert, schlimme Assoziationen und Befremden erweckt - und dazu noch urkomisch ist. Das Festival endet mit einer Aufführung des Stadttheaters Gießen: „Einsame Menschen“ von Felicia Zeller nach Gerhart Hauptmann. In ihrer Überschreibung des Klassikers nimmt die Dramatikerin Felicia Zeller die Wehleidigkeit und Larmoyanz einer privilegierten akademischen Schicht und ihre Rollenmuster aufs Korn.

Wer den Hauptpreis, der den Namen des Theaterkritikers und Publizisten Günther Rühle trägt, erhält, wird wie immer mit Spannung erwartet. Auch Sie, verehrtes Publikum, entscheiden mit Ihrem Votum, das Sie im Foyer des Parktheaters abgeben können, über den wichtigen Publikumspreis.
Das Schulprojekt Theaterkritik ist wertvoller Bestandteil des Festivals. Durch die Kooperation mit Schulen der Stadt Bensheim wird Schüler*innen der theaterpädagogisch begleitete Zugang und eine intensive Auseinandersetzung mit den gezeigten Produktionen ermöglicht. Es gilt zu analysieren, zu diskutieren, Kritiken zu verfassen und den Preis der Schüler*innen-Jury zu vergeben.

Unser Dank gilt allen Mitarbeiter*innen der Stadt Bensheim und der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste, die zum Gelingen der 30. „Woche“ beigetragen haben.
Dem Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst danken wir für seine Unterstützung, dem Bergsträßer Anzeiger für die gute Kooperation.

In guter Theatertradition wünschen wir allen Beteiligten des Jubiläumsfestivals ein herzliches TOI-TOI-TOI! Und Ihnen, verehrtes Publikum, wünschen wir gleichermaßen herausfordernde, anregende und unterhaltende Theaterabende im schönen Bensheimer Parktheater – und natürlich gute Gespräche über das, was Sie und den Theaternachwuchs bewegt.

Christine Klein
Bürgermeisterin Stadt Bensheim

Prof. Hans-Jürgen Drescher
Präsident der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste

Jörg Klinge
Geschäftsführer der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen

Johannes Erich Schulz
Vorstandsvorsitzender Sparkasse Bensheim
Vorsitzender des Stiftungsvorstandes der Jubiläumsstiftung der Sparkasse Bensheim

Programm

Auftaktveranstaltung, Mittwoch 05. März 2025, um 18:30 Uhr

Die Auswahljury – Johanna Wehner, Amina Eisner, Bernd Isele und Katrin Spira – stellt im Gespräch mit Beteiligten das Festivalprogramm vor.


Iphigenies Rache (UA), Mittwoch 05. März 2025, um 20:00 Uhr

                                                                                                       Foto: ©Tom Neumeier Leather

Soloperformance von und mit Lilly-Marie Vogler

Theater Regensburg

Iphigenie wartet auf ihre Hinrichtung und erzählt: Angefangen hat es mit ihrem Ururgroßvater Tantalos und einem Familienfluch. Zwei Generationen später zettelt durch den vermeintlichen Raub der Helena ihr Vater Agamemnon den Trojanischen Krieg an und erzürnt durch das Töten einer Hirschkuh Göttin Artemis. Diese schickt als Strafe eine Windstille, damit seine Schiffe nicht in Richtung Troja segeln können. Laut Seher Kalchas kann Artemis‘ Zorn nur besänftigt werden, indem Agamemnon seine Tochter Iphigenie opfert. Wer ist die Frau hinter dem Mythos? Schauspielerin und Autorin Lilly-Marie Vogler eröffnet ein neues Kapitel der 2.400-jährigen Rezeptionsgeschichte. Dabei reflektiert sie Frauenbilder, Erwartungshaltungen und Zuschreibungen des Patriarchats und rechnet mit einer von Männern dominierten Welt ab.

Von & mit
Lilly-Marie Vogler

Inszenierung & Musik
Nils Strunk

Ausstattung & Video
Christiane Hilmer

Licht
Martin Stevens, Wanja Ostrower

Dramaturgie
Maxi Ratzkowski

Regieassistenz, Abendspielleitung & Inspizienz
Mira Knaupe

Dauer
90 Minuten, keine Pause

Eintritt frei

Blutbuch (UA), Freitag 07. März 2025, um 19:30 Uhr, Einführung ab 19:00 Uhr

Foto: ©Yoshiko Kusano

nach dem Roman von Kim de l’Horizon

Theater Bern

„Blutbuch“ von Kim de l’Horizon ist ein vielschichtiger, zärtlicher, radikaler Text, der gleich auf mehreren Ebenen revolutionär ist: Er handelt von einer Blutbuche und einem Kind, das von dem Baum lernen will. Es geht um Grossmeer, die eine Großmutter und gleichzeitig unendlich weit ist, und um Meer, die Mutter ist und vielleicht auch eine Hexe. Es geht um weibliche Genealogie, nicht definierbare Körper und Verwandtschaft jenseits von Familie. Kim de l’Horizon lotet Grenzen aus, jene der Sprache ebenso wie jene des Geschlechts.

Mit
Lucia Kotikova

Regie
Sebastian Schug

Ausstattung
Nicole Zielke

Licht
Reto Dietrich

Dramaturgie
Julia Fahle

Dauer
105 Minuten, keine Pause

Das schweigende Mädchen, Sonntag 16. März 2025, um 19:30 Uhr, Einführung ab 19:00 Uhr

Foto: ©Paulo Jamil Sieweck

von Elfriede Jelinek

Universität Mozarteum Salzburg – Thomas Bernhard Institut

Das schweigende Mädchen ist Allegorie und direkter Verweis auf die deutsche Rechtsextremistin und Mitglied der Terrorgruppe NSU: Beate Zschäpe. Der Nationalsozialistische Untergrund war eine – zwischen 1998 und 2011 existente – rechtsextreme und rechtsterroristische Gruppe, die systematisch zehn in Deutschland lebende Unternehmer – vornehmlich mit griechischem und türkischem Migrationshintergrund ermordete.
Der NSU-Prozess stellt das größte Strafverfahren gegen rechtsextreme Gewalt seit dem Zweiten Weltkrieg dar. Berichterstatter beschreiben die insgesamt 438 Verhandlungstage als „Tiefenbohrung in die deutsche Gesellschaft“. Nach dem Prozessbeginn im Jahr 2013 schreibt Elfriede Jelinek mit „Das schweigende Mädchen“ gegen das hartnäckige Schweigen der Hauptangeklagten Beate Zschäpe an und reflektiert  unermüdlich den Umgang von Justiz und Gesellschaft mit den bis heute bestehenden Leerstellen dieses Falls.

Mit
Theresa Gmachl, Colin Johner, Victoria Kraft, Joseph Lang, Valerie Martin, Lena Plochberger, Fayola Schönrock, Payam Yazdani & Adrian Weinek

Regie
Simon Werdelis

Bühne & Kostüm
Nogati Udayana

Musik
Olga Podgaiskaya

Dramaturgie
Antigone Akgün

Dauer
70 Minuten, keine Pause

Zapfenstreich – Mother Europe, Samstag 22. März 2025, um 19:30 Uhr, Einführung
ab 19:00 Uhr

Foto: ©Søren Meisner

Internationales Performancekollektiv BOYS* IN SYNC

2021 scheidet Bundeskanzlerin Angela Merkel aus dem Amt. Ihr zu Ehren findet eine von TV Sendern live begleitete Militärzeremonie statt. Der sogenannte „Zapfenstreich“ ist eine 300 Jahre alte deutsche Militärtradition, doch die Bilder von Soldaten, die mit Fackeln durch die Nacht marschieren, befremden: Viele assoziieren die Show mit historischen Bildern der Nazis. Eine Diskussion wird ausgelöst: Wie soll sich das (deutsche) Militär als Institution einer modernen Demokratie präsentieren?
BOYS* IN SYNC stellt den „Zapfenstreich“ auf der Bühne nach: Die Performer*innen aus mehreren europäischen Ländern behandeln die militärischen Bewegungen als Choreografien, die Männlichkeit, Konformität und Macht hinterfragen, und vermischen sie mit Momenten der Irritation, Queerness und Intimität.

Von
Ragni Halle, Jay Tebogo Fiskerstrand, Gregers Hansen, Jakob Schnack Krog, Simon David Zeller

Mit
Gregers Hansen, Jakob Schnack Krog, Simon David Zeller

Musik
Niko Ursin

Technik
Frithjof Gawenda

Dauer
60 Minuten, keine Pause

Einsame Menschen, Donnerstag 27. März 2025, um 19:30 Uhr, Einführung ab 19:00 Uhr

Foto: ©Christian Schuller

von Felicia Zeller nach Gerhart Hauptmann

Stadttheater Gießen

Architektin Marie hat sich den Traum vom Haus im Grünen erfüllt. Noch schnell das erste Kind gebären, bevor es losgeht mit dem Ausbau des integrierten Co-Working-Space für Backpacker. Ihr Mann, ganz der angewandten Tiersoziologie verschrieben, beschäftigt sich lieber mit der Brut der schwach gepunkteten Wasserschrecke als seiner eigenen. Er promoviert vor sich hin statt mit anzupacken und Marie ihr Tatendrang über den Kopf, die Schwiegermutter rät zu mehr Gelassenheit. Als sich die digitale Nomadin Margarete einquartiert, erscheint dem Paar die eigene Sesshaftigkeit plötzlich fad.
Frei von Mitleid stellt die Überschreibung von Hauptmanns Klassiker die Weinerlichkeit der Privilegierten aus – und nimmt dabei das akademische Milieu und alte Rollenmuster aufs Korn.

Mit
Germaine Sollberger, Levent Kelleli, Carolin Weber, Ben Janssen, Amina Eisner

Regie
Anaїs Durand-Mauptit

Bühne & Kostüme
Hilke Fomferra

Musik
Benjamin Junghans

Licht
Pierre Schmidt

Dramaturgie
Lena Meyerhoff

Dauer
105 Minuten, keine Pause

Kontakt

Sabrina Egetenmeir
Am Wambolterhof 2
64625 Bensheim

Tel.: 06251-177817
E-Mail: parktheater(at)bensheim.de

Veranstalter

Unterstützer